Wie blicken wir auf Menschen mit Behinderungen? Begegnen wir ihnen wirklich – oder sehen wir zuerst die Einschränkung?
„ICH BIN’S – ganz anders“ ist ein Fotoprojekt, das genau diesen Perspektivwechsel anstößt. Bewohner*innen der AWO-Wohnstätte in der Schulstraße Lübbenau rücken in den Mittelpunkt, erzählen mit ihren Bildern von Individualität, Selbstbewusstsein und dem selbstverständlichen Wunsch, Teil unserer Gesellschaft zu sein.
Denn Menschen mit Beeinträchtigungen wollen – wie alle anderen auch – ihr Leben selbstbestimmt gestalten. Doch zwischen dem, wie sie sich selbst sehen, und dem, was ihnen oft zugetraut wird, klafft noch immer eine Lücke.
Dieses Projekt setzt genau dort an: Es bricht mit Zuschreibungen, hinterfragt Erwartungen und zeigt Menschen so, wie sie sind – vielfältig, charakterstark und „ganz anders normal“.
Wie aus einer Idee ein bewegendes Projekt wurde
Der Startschuss fiel im März 2023:
Die Bewohnenden sammelten Ideen, wie sie ihr Zuhause gestalten könnten. Schnell entstand der Wunsch nach eigenen Porträts – Bildern, die ihre Persönlichkeit sichtbar machen. Doch die Suche nach einem Fotografen gestaltete sich schwierig: Niemand wollte in die Einrichtung kommen.
Und dann geschah es beinahe zufällig: Ein Besucher, der die Wohnstätte besichtigte, entpuppte sich als Fotograf. Ralf Bäcker, Photojournalist aus Lübbenau, war sofort begeistert. Der Funke sprang über – das Projekt war geboren.
Die ersten Aufnahmen: Rollenwechsel, Mut und jede Menge Blitzlicht
Im Sommer 2023 begannen die Fotosessions.
Ausgangspunkt waren zwei Fragen:
Was macht dich aus?
Wie möchtest du gesehen werden?
Die Bewohner*innen wählten frei, in welche Rolle sie schlüpfen wollen – oder ob sie ganz einfach als sie selbst porträtiert werden möchten. Ob Alltagsszene oder Wunschbild:
Im Studio spielte die Beeinträchtigung keine Rolle. Die Persönlichkeit stand im Fokus.
Das Ergebnis: Porträts voller Würde, Humor, Stärke und Überraschungsmomenten. Bilder, die zeigen, wie viel in jedem Menschen steckt, wenn man ihm Raum gibt.
Mitten im Leben: Fotos aus der Nachbarschaft
Im September 2023 ging das Projekt raus in die Stadt.
Für jede Person entstand ein zweites Bild – dieses Mal an Orten, an denen sie sich häufig aufhalten oder gerne Zeit verbringen. Der öffentliche Raum wurde zur Kulisse, die Nachbarschaft zum Mitwirkenden.
Und etwas Bemerkenswertes passierte: Alle wollten mitmachen.
Die Offenheit und Unterstützung aus Lübbenau war überwältigend und zeigte, was möglich ist, wenn Barrieren im Kopf fallen und Begegnung auf Augenhöhe entsteht.
Ein Projekt, das stärkt – und zum Dialog einlädt
Die Zusammenarbeit mit Fotograf Ralf Bäcker stärkte das Selbstvertrauen der Bewohnenden sichtbar. Die Ausstellung macht erlebbar, wie empowernd echte Sichtbarkeit sein kann.
Bernd B. beschreibt sein Bild so:
„Das bin ich, hab ich gedacht... Mit dem Hut und dass ich so gern Zeitung angucke.“
Genau das ist der Kern: Menschen zeigen sich so, wie sie sind – und fordern uns auf, mit ihnen in den Austausch zu gehen.